Design Thinking: Probleme erkennen, Lösungen gestalten
Design Thinking unterstützend für persönliche, organisationale und systemische Wandlungsprozesse
Für manche ist Design Thinking die State of the Art-Methode in Innovationsprozessen. Doch genau genommen ist Design Thinking eine schon viel länger erprobte und bereits seit dem Anfang des 20. Jahrhunderts weiterentwickelte Methodik, die vorher in den 90er-Jahren durch die Professoren Terry Winograd, Larry Leifer und David Kelley von der Stanford University in Kalifornien ein Branding erhielt. Der eigentliche, schon viel ältere Denk- und Handlungsprozess von Designer*innen bekam durch die Bezeichnung „Design Thinking“ Sichtbarkeit, die der Methodik zu einer weltweiten Verbreitung verhalf.
Der Begriff „Design“ geht zurück auf das lateinische „designare“, was (be)zeichnen bedeutet, zurück. Diese lateinische Wurzel kommt der Essenz des Design Thinking-Prozesses sehr nahe: Denn hier geht es darum, überhaupt erst ein treffendes Problem zu erkennen und zu bezeichnen. Dabei geht es nicht um einen vordergründigen Konflikt, sondern um das wirklich ursächliche (systemische) Problem, das es zu lösen gilt.
Ein Beispiel dazu: Ein Produkt hat sinkende Umsatzzahlen. Dafür gibt es viele Gründe: Das Produkt ist veraltet, der Wettbewerb zu stark, die letzte Kampagne nicht erfolgreich, instabile Preise etc.. Ein naheliegender Umgang mit dem Problem wäre es, das Produkt nach einem Benchmark zu optimieren und eine neue Agentur für die Kampagne zu beauftragen (effizienzorientierte Organisationsebene nach Frederic Laloux). Mit dem Design Thinking-Ansatz ist die Problemlösung komplexer, denn es wird zunächst hinterfragt, welchen Zweck das Produkt erfüllt, dann werden Kunden*innen befragt, wie sie diesen Zweck üblicherweise erfüllen, welche Bedürfnisse sie sonst haben. Es wird geforscht und womöglich wird alles infrage gestellt, was die Organisation bislang getan hat (Entwicklung hin zur integral-evolutionären Organisation nach Frederic Laloux).
Design ist also nicht mehr nur das Gestalten von Produkten und somit eine Reduktion auf visuell-materiell wahrnehmbare und ästhetische Komponenten. Heute ist Design vielmehr auch auf der prozessualen und strukturellen, strategischen, konzeptionellen und systemischen Ebene angekommen.
Design Thinking wird häufig als eine Methode bezeichnet. Doch genau genommen ist Design Thinking ein Prozess und ein Methoden-Set, bei dem unterschiedliche Methoden angewendet werden, um für konkrete Probleme entsprechende Lösungen zu formulieren. Und mehr noch: Design Thinking ist eine Denkweise, Design Thinking eben. Design Thinking wird erst möglich, wenn eine bestimmte innere Haltung der Teilnehmenden eingenommen werden kann: Denken in Möglichkeiten, nicht in Begrenzungen, bedingungslose Offenheit – und viel Empathie! Es geht darum, sich einzufühlen, in den Kunden, und in die Bedürfnisse von potenziellen Kunden*innen oder gar das viel komplexere Verstehen von ganzen Märkten oder sogar Gesellschaften. Die im Design Thinking angewandten Methoden stammen fast alle aus Psychologie und Soziologie, häufig auch Neurologie, Biologie, Kreativitätsforschung, Engineering etc. – es geht also um das tiefe Verstehen des Menschen in bestimmten wechselnden Kontexten. Human centered Design.
Organisationen, die human centered agieren, sind Organisationen der Zukunft – es geht um den Menschen, innen wie außen, Mitarbeitende und Kundengruppen. Der Blick ist gerichtet auf die Bedürfnisse und Anforderungen der Nutzer*innen und weniger auf die Technik. Design Thinking ist ähnlich wie Scrum oder vergleichbaren Modellen agilen Arbeitens nur möglich, wenn die Organisation wirklichen offen für einen Kulturwandel hin zu Offenheit, Vertrauen und Mut ist. Offen für andere Herangehensweisen, Vertrauen in andere, mit dem Mut zu scheitern – und die Bereitschaft, Zeit zu investieren.
Ein Design Thinking-Prozess ist gut mit einem Forschungsprozess zu vergleichen und ist häufig auch ein solcher. Mithilfe von Design- und empirischen Forschungsmethoden werden Kontexte analysiert, Stakeholder interviewt, Zielgruppen beobachtet und Versuche durchgeführt.
Peter Senge hebt in seinem mittlerweile als Standardwerk geltendes „Die fünfte Disziplin: Kunst und Praxis der lernenden Organisation“ (1990) hervor, dass die Entwicklung von lernenden Organisationen damit einhergeht, wie gut „die Führungspersonen mit einem offenen, iterativen Designprozess umzugehen verstehen.“. Und auch Otto Scharmer greift in der Theory U darauf zurück und ergänzt im Grunde noch das Thema Mindfulness, indem er belegt, wie signifikant wichtig empathisches Zuhören im Innovationsprozess ist. Denn wirkliche Innovationen sind oft dort zu finden, wo nicht gesucht wird, im Unbekannten.
Und so ist es auch mit der Persönlichkeitsentwicklung. Die größten Wachstumsschübe gibt es im Umbekannten, in den blinden Flecken und bei den zu meisternden Herausforderungen. In unseren Motherland Experiences wirkt auch der Design Thinking-Prozess oder der daraus abgeleitete Design-Your-Life-Prozess sowie eines der wichtigsten Transitionsinstrumente: Die Systemische Aufstellungsarbeit, die uns dabei behilflich ist, das Unbekannte und Unbewusste besser erkennen und somit wandeln zu können.
Zusammenfassend kann man sagen: Design Thinking ist eine Art und Weise zu denken und zu handeln, basierend auf bestimmten Prinzipien und Werten. Diese Methodik kann auf unterschiedliche Kontexte angewendet werden – von der Produktentwicklung bis hin zur strategischen Ausrichtung einer Organisation oder eben der persönlichen Learning-Journey.
Design Thinking ist human centered, wird kollaborativ in einer idealerweise interdisziplinären und intergenerativen wir-intelligenten Projektgruppe durchgeführt.
Die fünf Phasen des Design Thinking-Prozesses nach IDEO:
Entdecken (Fokus), Interpretieren (Analyse), Kreieren (Flow), Experimentieren (Prototyping), Entwickeln (Evolution)
Autorin: Anne Kurth
Buchempfehlungen:
Frederic Laloux, Reinventing Organizations: Ein Leitfaden zur Gestaltung sinnstiftender Formen der Zusammenarbeit, 2015, Vahlen-Verlag
Otto Scharmer, Theorie U - Von der Zukunft her führen: Presencing als soziale Technik, 2020, Carl-Auer-Verlag
Peter Senge, Die fünfte Disziplin: Kunst und Praxis der lernenden Organisation, 2017, Schäffer-Poeschel-Verlag
Walter Brenner, Falk Uebernickel, Design Thinking: Das Handbuch, 2015, Frankfurter Allgemeine Buch-Verlag